›Kaff‹ in den Briefen Arno Schmidts

Im Folgenden werden alle derzeit verfügbaren, ›Kaff auch Mare Crisium‹-relevanten Passagen aus Briefen Arno Schmidts dokumentiert. Auslassungen werden durch […] markiert, Kommentare stehen in [eckigen Klammern].

Diese Sammlung stützt sich auf die bislang publizierten Materialien und muss notgedrungen unvollständig bleiben. Sie versteht sich daher nur als vorläufiges Grobgerüst zur ersten Orientierung, das eine spätere Arbeit ergänzen und, wo nötig, revidieren muss.

Die Briefe werden chronologisch sortiert, die Quellen mit Sigle (s. dazu das Abkürzungsverzeichnis) angegeben.

17. Juli 1953 an Martin Walser

In den gleichen Band (Bändchen) kommen dann noch »Die Stadt der Vergnügten« und »Die Reise ins Rote« hinein.

BmK, S. 241

»Die Stadt der Vergnügten«: Geplanter Zukunftsroman; die Vorarbeiten wurden später für die Mondhandlung von ›Kaff‹ benutzt.

20. Mai 1959 an Wilhelm Michels

Die nächste Bitte: vor 3 Monaten habe ich bei Foyle in London bestellt, und bis heute noch nicht erhalten, THE ESSENTIAL JAMES JOYCE (in der amerikanischen Ausgabe heißt der Band THE PORTABLE J.J.), der auf 536 Seiten, für 15 shillings, die kompletten DUBLINERS enthält, PORTRAIT, EXILES, CHAMBER MUSIC, und Einiges mehr. Ich muß den Band unbedingt noch haben, um zahlreiche Zitate daraus richtig übersetzen zu können: könnten Sie mir evtl. den Band möglichst rasch über Herrn Bode beschaffen?

BWM, S. 118

THE ESSENTIAL JAMES JOYCE: Michels bestellte das gewünschte Buch, Schmidt erhielt es Mitte Juni und bedankte sich in einem Brief vom 16. Juni bei Michels. – Vgl.: »(seit 3 Tagen las sie schon – und verehrte sie, wie üblich – den für den betreffenden ‹Lesering› Verbiografierten; sogar jetzt lag der Buchwanst in der ISETTA, hinter der Gepäckgalerie: dafür hatte ich auf meinen ESSENTIAL JAMES JOYCE verzichten müssen!« (BA I, 3, S. 13)

12. August 1959 an Hans Wollschläger

Neulich mußte ich wieder einmal 1001 Nacht druchgehen […].

BHW, S. 180

vgl. BA I, 3, S. 92 f.

27. Oktober 1959 an Wilhelm Michels

Heute soll die TASS das erste Foto von Mond=Rückseite gebracht haben: es lebe der Rapacki=Plan!

BWM, S. 134

Foto von Mond=Rückseite: »»Mänsch, iss das lankweilich! – Gipp ammall BILD.« / Es enthielt eben die unschätzbare russische Aufnahme von der Mondrückseite, […].« (BA I, 3, 12) – Vgl. auch Schmidts Tagebucheintrag vom 27. Oktober.

Rapacki=Plan: Vorschlag des polnischen Außenmister Rapacki, Europa zu einer atomwaffenfreie Zone zu machen. Von der BRD am 4. Oktober 1957 abgelehnt.

6. November 1959 an Wilhelm Michels

Daß Sie mich mitten in der Notizensammlung zum MARE CRISIUM störten, mögen Sie mit Ihrem eigenen Gewissen abmachen.

BMW, S. 136

störten: Gemeint ist eine Postkarte von Wilhelm Michels an Schmidt vom 1. November.

17. November 1959 an Wilhelm Michels

Außerdem sind Dinge im Gange : DINGE, sage ich, von denen ein andermal ein Mehreres. (Nur so viel : können Sie sich 1 Gemisch vorschtellen aus GELEHRTENREPUBLIK und SCHTEINHERZ? – If at first You don’t succeed .....)

BWM, S. 138

[Dezember 1959] an Wilhelm Michels

›kaff‹ inzwischen auf Seite 170 mitte beendigung 15.12. wahrscheinlich stop these ›nicht die hämorrhoide macht den gelehrten‹ entschieden zu schroff stop Nesödeme schmidt

BWM, S. 138

[Dezember 1959]: Der Poststempel der Karte ist unleserlich

Seite 170: Die erste Niederschrift des Romans umfasst 143 Seiten und wurde am 19. Dezember 1959 beendet.

hämorrhoide »(Und irgendwie hatte ich das Gefühl, mein Gesäß nässe mir: krieg’ich etwa doch schon Hämorrhoiden?! – Gewiß, sie zieren den Gelehrten; aber würde es bei einem einfachen Lagerbuchhalter nicht gleich wieder heißen, er wolle über seinen Schtand hinaus?)« (BA I, 3, S. 13) – »Nicht die Hämorrhoide allein macht den Gelehrten.« (BA I, 3, S. 112)

Nesödeme: Schmidt trank große Mengen Nescafé.

26. Dezember 1959 an Hans Wollschläger

e) Habe ich – wodurch sich gleichzeitig mein, von Ihnen beanstandetes, ›Schweigen‹ erklärt, doch noch ›rasch‹ 1 neues Buch verfertigt. (Freilich nicht LILIENTHAL; ich mißtraute, nach einer Pause von einigen 20 Monaten, erst einmal lieber meinen kompositorischen Fähigkeiten: die kann man nämlich auch verlernen, wie Alles im Leben: ZUR WARNUNG!). Ergo habe ich erst mal das längst fällige praktische Beispiel für ›BERECHNUNGEN II‹ geliefert. Kein ›Modell‹; sondern mehr 1 Erläuterung: Wie ick ma det denke. Das Stück ist ziemlich umfangreich geraten; (es handelt sich ja, gemäß Theorie, um einen quasi—doppelten Nicht—Roman!); wird also rund 400 Normalseiten einnehmen; und war genau noch die Feder, die vor Jahresschluß dazukommen mußte!

BHW, S. 215

LILIENTHAL: Arbeitstitel eines lange Jahre geplanten, aber nie geschriebenen Romans. Teile der ›Lilienthal‹-Notizen sind in ›Kaff‹ eingegangen.

1. Januar 1960 an Wilhelm Michels

Enfin (da Sie alle verschämten früheren Andeutungen nicht verstehen wollten, und mich dadurch zum jungfräulich=großäugigen Bekenntnis notzüchtigen): der Unterzeichnete hat, in den Tagen (und Nächten; zumal diesen letzteren – durchschnittliche Aufstehzeit 2 bis 3 Uhr morgens!) vom 13.11. bis 19.12.1959 ein neues Buch, im Umfange von rund 400 Normalseiten zu Konzeptpapier gebracht. Der Titel lautet zur Zeit

‹KAFF; auch MARE CRISIUM›

(vielleicht aber auch DIE STADT DER VERGNÜGTEN; ich weiß es noch nicht; mir fällt aber sicher wieder etwas Reißerisches ein – no fear for me!). Unnötig Ihnen, dem Kenner des ›Werkes‹, (im Sinne von oeuvre), zu flüstern, daß es sich hier um die epochemachende erste Vorlage für ein LÄNGERES GEDANKENSPIEL im Sinne der BERECHNUNGEN II des gleichen Autors handelt; unnötig: ja, unnötig. – Alles Nähere bitte ich von meiner Frau erfahren zu wollen, die zwischen W & N das einzigartige Stück zu sich nahm; (und zwar in liegender Stellung – nur so, gab sie an, seien derartige höllische Erfindungen überhaupt zu ertragen. / Meingott!: Habe ich denn umsonst angedeutet, es handele sich um 1 Produkt der chemischen Formel :

STEINHERZ + GELEHRTENREPUBLIK
2

; oder, vielleicht noch präziser : Wurzel aus ST. mal GEL.)

BWM, S. 140; Postauto, S. 133 f.

13. Januar 1960 an Alfred Andersch

Ergebnisse des Jahres 59 bei mir: […] und endlich noch 1 umfangreiches eigenes=neues Buch geschrieben, rund 400 Normalseiten, (das ich bis Ende Februar ins Reine getippt zu haben hoffe; wann’s erscheinen wird, weiß ich noch nicht. – Herbst?).

BAA, S. 210

20. Januar 1960 an Wilhelm Michels

Ansonsten rappeln die Maschinen: oben ich, bei der Reinschrift von KAFF; unten ma Dame beim Endspurt der Reinschrift des neuesten HUNTER (für STERN=Nannen).

BWM, S. 145

HUNTER: Evan Hunter, ›Recht für Rafael Morrez‹

22. Januar 1960 an Hans Wollschläger

Bei meinem neuen Buch – vermutlich wird es heißen

KAFF
auch
MARE CRISIUM

– ist das Mirakel an Schnelligkeit so überwältigend nicht […]: es ist lediglich 1 der 8 Pläne, zu denen ich seit vielen Jahren ausdauernd ›Zettel‹ sammelte – da bin ich auf die schlaue Idee gekommen: 2 davon zusammenzunehmen; und das Ganze als eine Art Beispiel zu BERECHNUNGEN II zu servieren; also ein E I als ›Realität‹, und ein E II als ›Play‹: sofort waren’s zusammen 2.000 Zettel! Und da sich weiterhin im letzten Quartal ergab, daß ich vom 15.11. bis 20.12. ›Zeit‹ haben könnte […] nu, da hab’ich mir eben gesagt: 35 Tage? a 10 Machinenseiten, ergiebt 350. Und so war es auch. am 19.12. war ich, allerdinx in jeder Bedeutung des Wortes, ›fertich‹.

BHW, S. 219

2 davon zusammenzunehmen: Schmidt berichtet mehrfach von zwei Buchplänen, die zusammen ›Kaff‹ ergeben hätten. Eines dieser beiden Projekte taucht bei Schmidt an verschiedenen Stellen unter dem Titel ›Die Stadt der Vergnügten‹ auf; hier handelt es sich vermutlich um die Mondgeschichte, die Karl in ›Kaff‹ seiner Freundin Hertha erzählt. Für die Erdhandlung lassen sich keine direkten Vorarbeiten nachweisen, Schmidt benutzte aber das Material, das er für ›Lilienthal‹ gesammelt hatte.

1. Februar 1960 an Schlotters

Das eigene neue Buch – nennen wir es, bis auf weiteres ›KAFF; auch MARE CRISIUM‹ wurde, undichterisch=pünktlich, am 19.12. beendet; und befindet sich zur Zeit in der Reinschrift, auf Seite 100. Am 1. März gedenkt der Verfasser auch diesen Arbeitsabschnitt hinter sich, und sich die geistige Freiheit wieder erschrieben zu haben. / (Es iss so’nn Gemisch aus etwa ›STEINHERZ‹ und ›GELEHRTENREPUBLIK‹ geworden.)

BES, S. 119

undichterisch=pünktlich: Vgl. die Schilderung des Dichters Lawrence in ›Kaff‹ (BA I, 3, S. 34).

3. Februar 1960 an Wilhelm Michels

Sie ziehen LILIENTHAL dem eben entstandenen KAFF vor?: Worauf gründet sich diese Ihre Vorliebe? (Aber SCHMIDT urteilt schnellfertig, gelt ja?). / ›Zur Schtrafe‹ breche ich auf der Stelle alle weiteren Mitteilungen über KAFF app!

[…]

Das betreffende Objekt nimmt übrigens, unter unserer gewissenhaften Pflege, beständig an Wert zu – ich werde Ihnen, sobald ich ein gewisses, zwischen Uns nicht mehr zu nennendes MS vollendet habe: 400 Seiten wollen geschrieben sein!, die neuen Meliorationen schildern –

BWM, S. 146 f.; Postauto S. 134 f.

Worauf gründet sich diese Ihre Vorliebe?: Wilhelm Michels tendierte dazu, Schmidts Texte auch dann unsanft zu beurteilen, wenn er sie noch gar nicht kannte.

Das betreffende Objekt: Schmidts Haus in Bargfeld.

4. Februar 1960 an Eberhard Schlotter

Anbei auch die Ankündigung der 2. Auflage des FOUQUÉ : Sie sehen das traurigste Schauspiel – meine Frau hat das Zeugs zu meiner Überraschung zusammengestellt – daß die Heinies, direkt wie erlöst, auf=klatschen: endlich ma was lesbares! (Man will mich anscheinend auf ›die Richtung‹ festnageln.): Schrecklich & traurig! Dabei weiß jeder wirkliche Kenner, daß der Akzent einwandfrei auf meinen anderen Büchern liegt. (Von ›KAFF‹ hab’ich eben heute die Hälfte in Reinschrift fertig.)

BES, S. 123

2. Auflage des FOUQUÉ: Erst am 31. August 1960 vermerkt Schmidt in seinem Tagebuch den Eingang der ersten Belegexemplare.

das Zeugs: Auszüge aus Rezensionen zur 1. Auflage der Fouqué-Biographie.

die Hälfte: Tagebucheintrag Schmidts vom 4. Februar: »Reinschrift ›Kaff‹ bis S. 115: Hälfte!!!«.

22. Februar 1960 an Wilhelm Michels

Aus dem ›geheimen Zentrum der Deutschen Literatur‹ ist wenig zu berichten, was Sie interessieren könnte:

Die Reinschrift 1 MS wird, wenn Sie dieses in Händen halten, beendet sein – Näheres darüber nie; (es giebt Leute, die schon jetzt nichts davon halten; können Sie sich vorstellen: daß man mich, mitten im Zeugunx=ackt, mit dürren Worten davon informierte?! Frau Shandy ist gar nichts dagegen. – Der Umfang wird übrigens, seinerzeit=dann, 400 Druckseiten betragen.)

BWM, S. 155

Die Reinschrift: Die erste Reinschrift wurde laut Tagebuch Arno Schmidts am 26. Februar 1960 abgeschlossen.

es giebt Leute: Gemeint ist Michels, s. Brief an Wilhelm Michels vom 3. Februar.

Frau Shandy ist gar nichts dagegen: »Aber das=hier ging ja noch über Frau Shandy –.« (BA I, 3, S. 131)

1. März 1960 an Hans Wollschläger

So !

: ich hätte’s wieder mal überlebt. (Die Reinschrift – d. h. also die ›2. Fassung‹ – meines Buches geht noch diese Woche an den Verlag ab. Und, abgesehen von der geduldigen Materialsammlung die Jahre vorher, hat doch auch wieder diese bloße ›Niederschrift‹ ihre 3½ Monate erfordert.) / Das Ergebnis? – Je nun; ich bin da realistisch; und überhaupt im allgemeinen der Überzeugung: I’ve had my say: Besseres, als ich bereits vorgelegt habe, werde ich wohl nicht mehr vermögen. (Ich hätte vermutlich noch etwas ›höger rup‹ gekonnt, wenn mir nicht die 12 ödesten Jahre Textilkaufmann & Soldat vom Schicksal aufgebrummt worden wären. Und wenn ich, ab 45 dann, nicht so grausam viel Brotarbeiten hätte erledigen müssen.) Also zum Resümee: ›KAFF auch MARE CRISIUM‹ erhält die Note STEINERNES HERZ plus GELEHRTENREPUBLIK durch – tcha, bei guter Laune sage ich 2, an brummigeren Vormittagen 3. / Also sag’n wa: passabl.

[…]

Ich werde jedenfalls zur brutalen Theorie 1 brutales Beispiel liefern, 1 praktisch=erträgliches: die Kerls sollen den Kopf wenden müssen, wenns von E I nach E II geht! (Ich mache nicht direkt ›2 Spalten‹; sondern lasse die beiden Bezirke breit übereinander greifen […]

BHW, S. 227; Postauto, S. 139

passabl: So im Brief.

(Ich: Klammer nicht geschlossen.

von E I nach E II: In den ›Berechnungen II‹ (BA III, 3, S. 275–284) entwirft Schmidt ein Prosamodell, das die »Erlebnisebenen« I und II (Realität und Gedankenspiel) trennt.

›2 Spalten‹: Wollschläger hatte Einwände gegen die spaltenweise Trennung von E I und E II und schlug stattdessen die Verwendung verschiedener Drucktypen und Schriftgrößen vor.

9. März 1960 an Clara Schmidt

Tja; ansonsten tummele ich mich rüstig in der deutschen Literatur herum [...]; eben ist, ich schrieb es vielleicht schon, wieder 1 neues Buch im Manuskript fertig geworden; es ist eine, dem Nicht=Fachmann kaum glaubliche Anstrengung erforderlich, um sich so 1, 2 Jahre hindurch auf 1 Thema zu konzentrieren; Material zusammenzutragen; und die letzten 4 Monate der endgültigen Niederschrift sind platterdings furchtbar – während der Zeit ist man kein Mensch mehr! (Und danach erst recht nicht; ich habe Stunden, wo ich nicht weiß, ob ich auf dem Kopf gehe. Kurioserweise ist die körperliche Anstrengung fast noch größer als die geistige: weil man vermittelst der verzweifeltsten Finessen das letzte aus der Maschine herausholen muß. – Na, ich hab’s jedenfalls wiedermal überlebt.) –

Postauto, S. 142

überlebt Vgl. Schmidts Tagebucheintrag vom 18. Dezember 1959: »1.00–9.18 ›Kaff‹ beendet!: ›Überlebt!!!‹«

7. April 1960 an Ernst Krawehl

[…] aber wenn ich mich auch vertraglich verpflichtet habe, Ihnen KAFF als Erstem vorzulegen, so habe ich mich doch nicht dazu verpflichtet, Ihre ›geübte Langsamkeit‹ abzuwarten; […].

[…]

Ich bin das Kämpfen um Silben=Worte=Sätze satt. Auch wissen Sie, daß mir ästhetische Urteile von Lesern, Kritikern, Verlegern, (auch meinem eigenen!) völlig irrelevant sind: wenn ich mich, 5 Jahre lang, (denn die Mond=Geschichte ist ja schließlich nichts anderes als die längst angekündigte STADT DER VERGNÜGTEN), mit Themen trage; sorgfältig Wort an Wort montiere; und Satz an Satz kettele: dann ist es für mich schlechthin lächerlich, wenn Jemand, der sich Tage oder Wochen mit dem gleichen Stoff beschäftigt, mich belehren will. Was speziell Sie anbetrifft, bin ich darüber hinaus sogar der frevelhaften Meinung: daß Sie getrost 1 MS von mir in die Druckerei geben könnten, ohne es überhaupt gelesen zu haben !

Postauto, S. 143

19. April 1960 an Hans Wollschläger

Von mir erscheint nun 1 neues Buch im Herbst 60; ein weiteres 61.

BHW, S. 239

Gemeint sind ›Kaff auch Mare Crisium‹ und ›Belphegor‹.

26. April 1960 an Hans Wollschläger

Von eigenen Sachen erscheint KAFF möglichst im Herbst – Stahlberg kündigt bereits an; vielleicht steht’s gar schon im ›Börsenblatt‹ – spätestens aber zum Jahresende.

BHW, S. 243

2. Mai 1960 an Eberhard Schlotter

Die Verträge mit Stahlberg sind unterschrieben: diesen Herbst erscheint KAFF (vorausgesetzt, daß den Setzer nicht Wahnsinn packt; beziehungsweise er sich wieder die Finger verstaucht)

BES, S. 133

Verträge mit Stahlberg: Vgl. Schmidts Tagebucheintrag vom 2. Mai.

11. Mai 1960 an Wilhelm Michels

(Und es gibt sehr wohl Formulierungen, die einem neuesten, zwischen Uns nicht zu nennenden MS gerecht würden – ich schlage auf gut Glück auf: Sirach, 24, 34 ff.: ächam: »… daraus die Weisheit geflossen ist, wie das Wasser Pison, wenn es groß ist, / und wie das Wasser Tigris, wenn es übergehet im Lenze; / daraus der Verstand geflossen ist, wie der Eufrat, wenn er groß ist, und wie der Jordan in der Ernte. / Aus demselben ist hervorgebrochen die Zucht wie das Licht und wie das Wasser Nilus im Herbste. / Er ist nie gewesen, der es ausgelernet hätte, und wird nimmermehr werden, der es ausgründen möchte; / denn sein Sinn ist reicher denn kein Meer, und sein Wort tiefer denn kein Abgrund.«). / : Merx!

BWM, S. 164

30. Juni 1960 an Hans Wollschläger

Die Korrekturen meines eigenen=neuen Schmarrens gelesen.

BHW, S. 271

11. Juli 1960 an Alfred Andersch

Bei meinem Buch, dem KAFF, hat eben der Satz begonnen – ich wollte, ich hätte die Korrekturen hinter mir!

BAA, S. 212

Korrekturen: Schmidt hatte eine starke Abneigung gegen das Korrekturlesen von Druckfahnen.

7. August 1960 an Hans Wollschläger

Den Rest des Tages darf ich dann die Korrekturen meines neuen Buches lesen – hei, hat Imre Rainer wieder neckische Umschlagentwürfe geliefert! – das Handwerk hat wahrlich keinen Boden; (von einem ›goldenen‹ wütend zu geschweigen.)

BHW, S. 276

Imre Rainer: Richtig: Imre Reiner (1900–1987), Typograf, Grafiker und Designer. Reiner gestaltete für den Stahlberg-Verlag die Umschläge der Bücher Arno Schmidts von ›Das steinerne Herz‹ bis ›Kaff auch Mare Crisium‹.

14. August 1960 an Eberhard Schlotter

Was meine eigenen [Bücher] anbelangt, so ist KAFF schon im Druck – bezüglich des Schutzumschlages hat natürlich wieder IMRE RAINER sein Bestes getan, (was leider nicht sonderlich viel Überwältigendes besagen will) – und wird hoffentlich zu Weihnachten fertig sein

BES, S. 139

16. August 1960 an Alfred Andersch

Auf KAFF sei nicht allzusehr gespannt : man drehe STEINHERZ und GELEHRTENREPUBLIK durch ein= und denselben Wolf; tue etwas Barg(f)eld und Mondschein dazu; werfe den Umschlag von Imre Rainer weg; und stelle das Ganze dann ins Regal, hinter den NACHSOMMER. – Du wirst jedenfalls enttäuscht sein; und nur, wenn Du bedenkst, daß ich 10% meiner Zeit ›eigenen Produkten‹ widmen kann, nicht mehr, ist es allenfalls noch als ›passabel‹ zu bezeichnen.

BAA, S. 214

17. August 1960 an Peter Rühmkorf

Mein neues Buch wird gegen Weihnachten erscheinen; Vorabdrucke daraus sind wohl nicht möglich. –

BmK, S. 141

Vorabdrucke: Rühmkorf hatte Schmidt nach kleineren Texten oder Vorabdrucke für ›konkret‹ gefragt.

27. September 1960 an Wilhelm Michels

Zum weiteren Zeichen, daß wir nicht müßig gehen, hasDu ja in Ffm das neue KAFF gesehen: die Korrekturen der Fahnen sind ›durch‹, und vom ›Umbruch‹ auch schon die ersten Bogen: also praktisch ›wieder ’n Dink fertich!‹. (Es ist natürlich eines der ver=schmidt=stesten Stücke des bekannten & beliebten Autors.)

BWM, S. 174

Ffm: Michels hatte die Frankfurter Buchmesse besucht und dort Ernst Krawehl, Schmidts Lektor und Verleger, gesprochen (vgl. Wilhelm Michels an Alice und Arno Schmidt, 26. September 1960; BWM, S. 173).

11. Oktober 1960 an Hans Wollschläger

Bezüglich ›KAFF‹ ehrt Ihre Bescheidenheit Sie sehr; Sie wissen aber genau – bzw. könnten es wissen – daß Sie im ›Verteilerschlüssel‹ figurieren, das Stück Ihnen ergo gar nicht erspart bleibt! (Freilich dürfte es Weihnachten werden – wenn nicht gar ›domingo de ramos‹: welch linguistischer Trompetenstoß! – ehe das Ding aus der Fertigung entkommt; meine Frau liest just die Umbruch=Korrektur. Enfin: Sie erhalten es selbstverständlich.)

BHW, S. 287

Ihre Bescheidenheit: »Bekomme ich Ihr KAFF von Ihnen? Wenn Sie’s nicht vorsahen, bitte ganz offenes ›Njet‹, damit ich’s mir bestellen kann […]« (Hans Wollschläger an Arno Schmidt, 8.10.1960; BHW, S. 286)

27. Oktober 1960 an Ernst Krawehl

Anbei also nun der Rest unseres ›KAFF‹. Einzelnes dazu:

a) auf S. 285 ist eine Zeile einzusetzen, (die versehentlich doppelt war; Sie werden ja sehen.

b) Im ›Klappentext‹ – der mir diesmal gar nicht gefällt – schlage ich vor, wenigstens zweierlei zu berichtigen:

1) einmal ist Fräulein Hertha nicht Modezeichnerin, (was zu ihr ja überhaupt nicht paßte!); sondern Muster

2) Kann man Freund Silberschlag schlankweg als Barockbaumeister deklarieren? Er ist nun mal erst 1791 gestorben, und seine GEOGENIE erschien 1780. Und Baumeister?: eher doch noch ›Techniker‹ o. ä. – Genaugenommen war er natürlich ein Physikotheologe, ein ›Mosaischer Techniker‹, (was von ›Moses‹ herkommt.) – Aber ich will Ihnen da nicht hnein reden; ich hätte noch auf die ›Sichtbarmachung schöpferischer Vorgänge‹ hingewiesen: wie im Schriftstellerschädel, bei einer gegebenen Individualität, gegebenem Thema, und gegebener Zuhörerschaft, sich eine ganz bestimmte Transformationsgleichung herausbildet, gemäß der ›brauchbare‹ Kleinstereignisse aus E I in E II überführt werden. (Ich machte es damals, in meinen erläuternden Bemerkungen, – ich bin zu faul, (richtiger müde) jetzt nachzusehen – wohl am Beispiel der ›Eule‹ klar: wie da die Reihe geht vom Käuzchen Kommitt in der fröstelnden Frühnacht; über die weiße Riesenbraut in Hankensbüttel, bis zu den kraterbewachenden, hausfraulich=vorratsumschwebenden, Jakuteneulen. – Na, ist egal.)

+      +      +

Bitte: bestätigen Sie uns, kurz auf 1 Postkarte, daß nunmehr Alles=Alles richtig bei Ihnen eingegangen sei. / (Und nun ›Gute Reise‹, mein Büchlein – hoffentlich ist’s bis zu Weihnachten fertig & die Freiexemplare hier. Dann noch einmal 2 Stunden lang ›Versand‹. Und dann brauch’ich mich hoffentlich=hiffentlich für die nächsten 20 Jahre nicht mehr mit ›KAFF‹ zu befassen!!!). –

Postauto, S. 148 f.

(die: Klammer nicht geschlossen.

Modezeichnerin: Im Klappentext zu ›Kaff‹ wird Hertha als »Textilentwerferin« bezeichnet.

Barockbaumeister: Silberschlag figuriert im Klappentext als »Wasserbaumeister der Zopfzeit«. – Zu Silberschlag vgl. BA I, 3, S. 104–113.

erläuternden Bemerkungen: ›Erläuternde Notizen zu KAFF auch MARE CRISIUM‹ (BA I, 3, S. 543–547)

2. November 1960 an Eberhard Schlotter

Produktion des Jahres 1960: […] und endlich ›KAFF, auch MARE CRISIUM‹, an dem eben noch Druckerei & Binderei in Baden=Baden kauen.

BES, S. 148

25. November 1960 an Wilhelm Michels

KAFF anlangend, so wird es in den ersten Dezembertagen fertig sein – Dein Stück geht Dir dann zu : ›Sei ruhig; Du entkommst mir nicht!‹ (Wedekind). / Es ist doch ein eigenes, gar nicht unangenehmes Gefühl, so Jahr für Jahr den worst=seller zu liefern!

BWM, S. 184

Sei ruhig: Zitat aus Frank Wedkinds ›Die Büchse der Pandora‹:
»Lulu: Nein, nein! – Erbarmen! – Mörder! Polizei! – Polizei!
Jack: Sei ruhig! Du entkommst mir nicht mehr!«

worst=seller: Vgl. die Briefe an Wilhelm Michels vom 20. Dezember und an Kasimir Edschmid vom 31. Dezember.

27. November 1960 an Wilhelm Michels

KAFF wirst Du im Laufe des Dezember erhalten – Krawehl hat mir als ›Auslieferungstag‹ den 2. 12. beteuert; also wird’s etwa der 20. werden.

BWM, S. 187

20. Dezember 1960 an Wilhelm Michels

Anbei das intimste Zeichen meiner hiesigen buch=stabilen Existenz im Jahre 1960. / 1 Tipp : lies zuvor rasch noch einmal BERECHNUNGEN II; und anschließend KAFF, aus dem Gesichtspunkt des ›Gedankenspiels‹, und noch mehr der Sichtbarmachung des ›schöpferischen Vorgangs‹ (obwohl ich die Wendung gar nicht schätze) : der »Stoffübernahme aus E I nach E II, und umgekehrt‹, usw. usw. / Einige der beschriebenen Plätze und Sehenswürdigkeiten werden Dir sogleich geläufig sein; andere will ich Dir gern zeigen. / Mit dem Anzeichnen von Druckfehlern brauchsDu Dich diesmal nicht zu bemühen – nicke nicht so bitter; ich sehe es doch. (Wie Dir denn überhaupt das Letzte sei, anzunehmen, ich triebe dergleichen aus schierer verkrampfter Originalitätssucht, bzw. Eigensinn – Du entschuldigst, daß es mir, zumal früher, häufig so den Anschein hatte bei Dir. / Bis wir Uns – falls dies nötig sein sollte – mündlich darüber aussprechen, wäre ich Dir dankbar, wenn Du Dich zunächst auf Anmerkungen beschränken würdest, a la ›Selten so jelacht‹. – Sei bitte nicht gleich wieder empfindlich : daß ich solches schreibe, geschieht mehr um Deinet= als um meinetwillen. (Und doch auch wieder um meinetwillen: so von 2, 3 Menschen würde ich ganz gern, auch in meinen künstlerischen Bemühungen, einigermaßen begriffen.) Zumindest glaube mir erst einmal auf mein bloßes Wort hin, daß es kein ›holzweg‹ sei, auf dem ich mich in KAFF befand. – Alles weitere, wie empfohlen, mündlich.) / Es ist nichts Kleines, jahraus jahrein den worst=seller zu liefern ! (Ich schrieb es Dir wohl schon.)

BWM, S. 192; Postauto, S. 150

worst=seller […] Dir wohl schon: S. Brief an Michels vom 25. November.

20. Dezember 1960 an Eberhard Schlotter

Ansonsten, falls sie sich gut geführt hat, grüße sie recht schön von mir. Auch Sibylle, die es ja nicht leicht hat; (und sich, bei dem Leitmotiv von KAFF, der Eintragung in ihr ›Stammbuch‹ erinnern soll – ich schrieb es damals gerade.)

[…]

Und endlich KAFF – bei Dir habe ich, von sämtlichen nur möglichen Lesern, die wenigsten Bedenken, bezüglich ›Verständnis‹. Einen Tipp nur fürs erste: lies, gleich von Anfang an, die beiden (aufs sorgfältigste ineinandergefädelten) Geschichten, unter dem Gesichtspunkt der Sichtbarmachung des ›schöpferischen Vorgangs‹; der Stoffübernahme aus E I nach E II (evtl. BERECHNUNGEN II kurz davorschalten) und umgekehrt: wie das geschaffene Werk nun wiederum seinerseits seinen Schöpfer beeinflußt. Usw. usw. – Einige Plätze und Sehenswürdigkeiten wirst Du sogleich wiedererkennen, (ich denke nur an die Deckengemälde der Kirche von Hankensbüttel, wo wir zusammen waren ! ). – Aber schon zuviel der Worte. Es ist nun bereits über 1 Jahr her, daß ich all=das geschrieben habe; und ich möchte mich, wenn irgend möglich, für die nächsten 10 Jahre nicht mehr sonderlich damit befassen.

BES, S. 153

falls sie: Dorothea Schlotter, Frau von Eberhard Schlotter.

Sibylle: Schlotters Tochter.

Eintragung in ihr ›Stammbuch‹: »Sibylle, meine Tochter, war wohl 8, 9 Jahre alt. In der Schule hatten sie diese Poesiealben, wo sie dann diese kleinen Kitschblümchen und so ein Zeug reinklebten, wie das Kinder so machen. Und da kam der Arno Schmidt und sollte was reinschreiben. ›Nichts, nirgends, niemals, nie! Arno Schmidt‹. Mein Gott, für ein achtjähriges Kind! Das ist doch ein Wahnsinn! Ja, wir haben nur mit dem Kopf geschüttelt. Was soll das Kind damit anfangen?« (Eberhard Schlotter im April 1993, Kna, S. 15.) – Sibylle Schlotter kam 1947 zur Welt, war zur fraglichen Zeit also 12 oder 13 Jahre alt.

Deckengemälde: vgl. BA I, 3, S. 173–176

wo wir zusammen waren: Schmidt fuhr mit Schlotters am 28. November 1959 nach Hankensbüttel.

28. Dezember 1960 an Claus Nissen

Da Sie andeuten, daß Sie KAFF evtl. besprechen wollen, erlaube ich mir einige Andeutungen – nicht, um Sie irgend zu beeinflussen; sondern um Ihnen die Arbeit zu erleichtern; (ich hätte gern, daß mich so 3, 4 Leser ungefähr begreifen ...) – Also (und ich zähle ›zwanglos‹ auf):

1.) KAFF ist zu betrachten, einmal unter dem Gesichtspunkt der ›Sichtbarmachung des schöpferischen Vorgangs‹ – (zuvor sind die BERECHNUNGEN II kurz nachzulesen) – d. h. der ›Stoff= und Motiv=Übernahme‹ aus E I nach E II (und umgekehrt! Denn es ist ja durchaus so, daß 1 ›Kunstwerk‹ nun auch unweigerlich wiederum seinen ›Schöpfer‹ beeinflußt! [Es folgt ein Beispiel.]

2.) Weiterhin ist auf die ›allgemeine Weltuntergangsstimmung‹ in KAFF zu achten: die ERDE ist ›lankweilich‹: ergo ist’s auch auf dem Monde ›lankweilich‹. / Schtändich klingt das ›NOAH‹=Thema durch: bei SILBERSCHLAG; beim ›Theater der Kinder‹: auch=da kommt ja der ›Komet‹ mit ›Weltuntergangsstimmung‹ beladen! / Die ›Notwendigkeit einer Reduzierung der Kull=Tour‹ wird immer wieder betont: [Es folgen einige Beispiele].

3.) Die ›Entscheidung‹ wird fallen, in nicht vorher berechneten Gebieten, oder bei ›erlesen Intelligenten‹; sondern, weit mehr, infolge reinrassigstem Zu=Fall: daher das, bedeutend=sinnlose, ›Sch=wanken‹! Das allseitige ›Soll=ich=soll=ich=nicht‹ des gesamten Personals, (inclusive ›Tann’e Heete‹, der immer die Rolle des Ballasts im ganzen Schiffchen zukommt: auch=sie ist ja grundsätzlich ›unausgeglichen‹!).

4.) Wenn Sie das ›Sch=prache‹ für Sprache abziehen, bleibt relativ wenig ›Posse‹ übrig: das ist der Unterschied zwischen ›mir‹ und ›JAMES JOYCE‹: ich bleibe grundsätzlich ›verständlich‹ – es gibt kein einziges Wort, bei mir, was Sie nicht ›verstehen‹ könnten! Während in FINNEGANS WAKE … nun; Sie werdens ja sehen: das Ding lohnt letzten Endes dem Deutschen den Aufwand an Arbeit nicht!

Postauto, S. 151–153

31. Dezember 1960 an Kasimir Edschmid

Ich erlaube mir, Ihnen eines meiner neuen Produkte beizulegen – die Ehre, jahraus=jahrein den ›worst=seller‹ zu schreiben, ist gar nicht zu unterschätzen. (Ein ›best=seller‹ macht weit weniger Mühe, habe ich mir sagen lassen.)

BmK, S. 48; Postauto, S. 155

13. Januar 1961 an Hans Wollschläger

Die ›4 Mark‹ sind aber tatsächlich die reine Kinderei! (Daß ich keinerlei Handveste beigab, lag lediglich daran, daß ich 15 Mal KAFF zu verpacken hatte, und am Ende solcher Aktion beinahe zu verdrießlich war, die Adressen zu tippen. Aus der Beigabe von KAFF hätten Sie doch wahrlich ersehen können, daß es sich um 1 Weihnachtspräsent handele – damit Sie wenigstens auch etwas Solides außerdem erhalten – und Sie werfen mir 4 bleiche Scheibchen dafür in den Bart!).

BHW, S. 296 f.

›4 Mark‹: Zusammen mit ›Kaff auch Mare Crisium‹ schickte Schmidt auch die von Wollschläger gewünschte illustrierte Ausgabe von ›Von Bagdad nach Stambul‹. Am 11.1. überwies dieser per Postanweisung vier Mark an Schmidt. Als Betreff notierte er »BAGDAD« und fügte auf der Rückseite einen kurzen Text hinzu: »Dank & Gruß! [/] (Ist der Preis auf dem Vorsatz richtig? Da kein Kommentar, mußte ich’s mir so kombinieren). [/] Ihr [/] Hans Wollschläger.« Am 12.1. notierte Schmidt in sein Tagebuch : »Wollschläger 4.– (sic! Ich schreibe ihm gleich)« (Zitiert nach BHW, S. 297)

18. Januar 1961 an Hans Wollschläger

Zu MAY und KAFF gleich noch dieses: au contraire! Ich bitte Sie ausdrücklich, die STUDIE genau in der Art zu erwähnen, wie ich es getan habe! / Ich habe mich nämlich, lange & intensiv, mit meinem Leib-Juristen besprochen; und Der sagte mir, es gäbe nur 1 Weg, das Material zu ›sichern‹; nämlich – und hier setzt KAFF ein –: Kleinst—Zitate, etwa ein halbes Dutzend, in möglichst 100 Büchern ..... : dadurch ist das Dinx ooch in Druck gegeben ! –

In anderen Worten: meine Anspielungen in KAFF sollten nichts weniger, als IHNEN den Wind aus den Segeln nehmen! Im Gegenteil: es handelte sich darum, der Welt & ›dem Verlag‹ eindeutig darzutun, daß ›das Stück‹ nicht mehr ›untergehen gemacht‹ werden kann!: Es ist auch noch in ›anderen Händen‹! […]

Also nehmen Sie bitte getrost in den ADAM ebenfalls ein halbes Dutzend Kleinst-Zitate aus der STUDIE auf – natürlich andere, als ich in KAFF –: sind wir schon wieder 1 Zoll weiter! […]

[…]

Zu KAFF selbst bitte keinen Kommentar! – Ich weiß, was ich weiß; allenfalls könnten wir in 20 Jahren darüber reden; (aber dann hoffe ich längst, mich in die mir passende Aschenurne verzogen zu haben. – Außerdem schreibt man nicht ›melancholisch‹, wie Sie taten, sondern ›maulhäng- kolisch‹.)

BHW, S. 302 f.

au contraire!: Schmidt zitiert in ›Kaff‹ aus Karl Mays ›Frau Pollmer. Eine psychologische Studie‹, die der Karl-May-Verlag lange Jahre zurückhielt und von der ihm Wollschläger eine Abschrift verschaffte. Wollschläger plante, in seinem Roman ›Der Fall Adams‹ (später: ›Herzgewächse oder Der Fall Adams‹) ebenfalls aus dem Manuskript zu zitieren, wollte diesen Plan aber nach dem Erscheinen von ›Kaff‹ aufgeben.

Leib-Juristen: Der Jurist Horst C. Harries, mit dem Schmidt im Briefwechsel stand.

in 20 Jahren: »Ich mag die Haltung dieser jungen Leute nicht. Ich kenne sie nicht sehr gut, doch manchmal kommen eben auch Leser dieser Art vorbei. Wir haben uns fast nichts zu sagen. Die wollen ja gar keine Kultur. Ich verweigere mich deshalb auch jedem Streitgespräch mit diesen jungen Menschen, ganz einfach aus diesem Grund: Wenn so ein 20jähriger kommt, der hat seit vier Jahren mit leidlichem Verstand lesen können. Ich lese seit vierzig Jahren, das heißt, daß ich mindestens zehnmal soviel weiß wie er. Man redet einfach aneinander vorbei. Ich würde zu solchen Leuten immer sagen: Geht hin und lernt zwanzig Jahre und kommt dann wieder. Das ist natürlich ein Trick, denn in zwanzig Jahren lebe ich nicht mehr.« (Arno Schmidt, Apr, S. 190.)

16. Februar 1961 an Peter Rühmkorf

Hat Rowohlt eigentlich schon Karl MAY=Taschenbücher vor? […] ich besitze unveröffentlichte Manuskripte des Buben .... zum Küssen, Sie! […] Ich habe in KAFF an einem halben Dutzend Kleinst=Stellen bereits etwas den Vorhang gelüftet, a la ›das nackte Zimmer‹ in der radebeuler Villa.

BmK, S. 149

unveröffentlichte Manuskripte: Gemeint ist die von Hans Wollschläger organisierte Abschrift der Pollmer-Studie; vgl. Anmerkungen zum Brief vom 18. Januar 1961 an Hans Wollschläger.

25. April 1961 an Wilhelm Michels

Nun zu Deinen verwilderten Formulierungen a la ›Olle Kamellen‹ – erstlich, ganz allgemein : keep a good tongue in your head ! / […] / Viertens : um Dich völlig mundtot zu machen, will ich Dich nur auf das ›BUCH DES MONATS‹ für Mai 61 verweisen – nichts sag’ ich weiter ! –

BWM, S. 202

Buch des Monats: Die „Darmstädter Jury“ wählte Kaff zum Buch des Monats Mai 1961.

5. Dezember 1961 an Hans Wollschläger

Willkommen also am 31.12. gegen Abend in B.! (Ich bestelle 1 Zimmer, mit 2 Betten, ›für ein junges Ehepaar‹, zunächst für 2 Nächte – sollten sich die Stoffe dehnen, geht’s zweifellos zu verlängern.) Bong. / (Obwohl »meiner Frau etwas Gesellschaft leisten« ....? Na Sie! Das dürfte der Ihrigen gleichsam noch abgehen; vgl. KAFF, S. 316, untere Hälfte.)

BHW, S. 371; Postauto, S. 168

KAFF, S. 316, untere Hälfte: Karl Richter unterstellt Tante Heete, sie wolle seine Freundin Hertha als „1 weiplichn Lehrlink, schüchtern & anschtellich, der bei Dir das Hexn Beesnreitn Männerzwiebln erlernt.“ (BA I/3, S. 254.)

14. August 1963 an Siegfried Unseld

[…] nur bin ich nicht mehr Narrs, auch nicht mehr jung genug (ich werde im Januar 50), pausenlos, ohne Sonntag, jahraus=jahrein, doppelte Pensen zu schaffen: am Tage Brotarbeiten zu machen; nachts dann eigene, umfangreiche & komplizierte Bücher zu schreiben. Bisher habe ich das durch eisernen Fleiß und dito Energie gerade noch so leisten können, obwohl das Verfahren bereits bei ›KAFF‹ nicht mehr zu verantworten war […].

Postauto, S. 197

5. Dezember 1963 an Alfred Andersch

Ach nein; SITARA sollte eigentlich nur eine Neben=Studie sein, zur ›Geburt des Bildes‹ – noch präziser vielleicht: zur ›Zeugung der Kulisse‹? – sowie zur Erkennung der drogenhaften Wirkung von unbewußt ausgesendeten, und ebenso traumhaft aufgenommenen Materialien. Alles an Freund MAY dämonstriert, weil er eben der durchsichtigste dieser gewaltigen Pfuscher war, und das am leichtesten & billigsten zugängige Modellobjekt. (Übrigens keine ganz so neuen Betrachtungen, wie Du zu meinen scheinst: in KAFF habe ich dergleichen Techniken bereits ausgiebig verwendet; ja, sogar schon in der alten GELEHRTENREPUBLIK.)

BAA, S. 223

›Zeugung der Kulisse‹: »Über die Zeugung der Culisse« war einer der geplanten Untertitel von ›Zettel’s Traum‹; vgl. Arn, Nr. 11, 13, 14, 16–18.

18. Dezember 1964 an Heinrich Droege

Gegen ›Kinder‹ habe ich nur das – zuvor dies noch: kommen eigentlich nicht immerfort welche als schönste ›Staffage‹ (ein schlechtes Wort; ich weiß) vor, die, singend & leuchtend um den Horizont herum ziehen ? Denken Sie an die Laternen=kinder im CALIBAN; an die, doch wirklich nette, Schulkinder=Aufführung in KAFF – daß Sie mir als Hauptpersonen nicht verwendbar erscheinen.

[…]

Und ›nebenher‹ die Arbeit an einem sehr umfangreichen Neuen Buch, das nun wirklich das Opus Magnum werden soll : 3 Mal so umfangreich wie KAFF; und auch 3 Mal so kompliziert.

HDr, S. 51; Postauto, S. 225 f.

Laternen=kinder im CALIBAN: Vgl. BA I, 3, S. 494 f.

Schulkinder=Aufführung: Vgl. BA I, 3, S. 58–66.

Opus Magnum: ›Zettel’s Traum‹ (BA IV, 1).

17. Januar 1974 an Heinz Jerofsky

Ja; ›Zettels Traum‹ müßtest Du lesen können, und ›Kaff‹, und die ›Gelehrtenrepublik‹, und … und … und … es würde Dir bestimmt Spaß machen, (und manche Stellen, so manchen Inhalts, könntest tatsächlich nur Du verstehen).

Postauto, S. 248

müßtest Du lesen können: Für Heinz Jerofsky war es als DDR-Bürger sehr schwer, an Schmidts Bücher zu gelangen.

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